Bericht Sport Magazin/ vor SM 2005

One-Woman-Show im Frauen-Bodybuilding: Barbara Meierhofer ist die letzte verbliebene Schweizerin in der Welt der Muskelmassen und Selbstbräuner. Kein Wunder, gilt sie an der Schweizer Meisterschaft als Topfavoritin.

Bericht Oktober 2005

Sport Magazin

Einsame Spitze
Bericht: SPORT MAGAZIN Oktober 2005
TEXT: DANIEL LEU
FOTOS: KURT SCHORRER

One-Woman-Show im Frauen-Bodybuilding: Barbara Meierhofer ist die letzte verbliebene Schweizerin in der Welt der Muskelmassen und Selbstbräuner. Kein Wunder, gilt sie an der Schweizer Meisterschaft als Topfavoritin.

Den 16. Oktober 2004 wird Barbara Meierhofer nicht mehr vergessen. An jenem Samstag fand im Kongresshaus Biel die Schweizer Meisterschaft der Bodybuilder statt. Meierhofer trat in der Frauen-Klasse bis 52 Kilo an. Sie präsentierte ihren Körper zu einem Lied der Schweizer Band Lunatica und gewann. Doch der Triumph hatte einen kleinen Schönheitsfehler: Barbara Meierhofer stand allein auf der Bühne. Sie war die einzige Teilnehmerin in ihrer Klasse. Die sechs Wettkampfrichter taten trotzdem ihre Pflicht und wählten die 42-Jährige einstimmig zur Siegerin. Peter Anliker, der Präsident vom Schweizerischen Bodybuilding Fitnessverband (SBFV), sagt noch heute: «Barbara hat verdient gewonnen. Sie ist eine Ausnahmeathletin.»
Es war ein absurdes Schauspiel, das sich am 15. Oktober 2005 sogar wiederholen könnte. Dann wird Meierhofer in der Stadthalle Dietikon versuchen, ihren Meistertitel vom Vorjahr zu verteidigen. Ob sie diesmal auf Gegnerinnen treffen wird, weiss sie zur Zeit noch nicht. Die Chancen dafür sind gering, denn das Frauen-Bodybuilding in der Schweiz steckt in einer Krise: Es fehlt der Nachwuchs, das Ansehen ist klein und die Vorurteile gross.
Bodybuilderinnen galten schon immer als exotisch. Doch nun ist der absolute Tiefpunkt erreicht. Wie konnte es vor einem Jahr zur One-WomanShow von Barbara Meierhofer kommen? Nachfrage bei SBFV-Sekretär Robert Eichelberger. Der schweigt erstmal ein paar Sekunden, dann hebt er an: «Vielleicht ist die Schweiz das falsche Land. Die Akzeptanz für diesen Sport ist bei uns kaum vorhanden. Nicht ernst genommen zu werden, ist für die Sportlerinnen nicht sehr motivierend.» Präsident Peter Anliker ist gleicher Meinung, betont aber den fehlenden Nachwuchs: «Die Jungen sind einfach nicht mehr bereit, die Herausforderung Bodybuilding anzunehmen. Der gewaltige Aufwand schreckt wohl viele ab.»

«Ich bin weiblich»
Barbara Meierhofer scheut diesen enormen Aufwand nicht. Und auch die Vorurteile nimmt sie gelassen hin. Immer wieder ist im Zusammenhang mit Bodybuilding von Frauen in Männerkörpern die Rede. Von wachsenden Muskeln und schrumpfenden Brüsten. Von Dopinggerüchten und gefährlichen Nebenwirkungen. Meierhofer hält das alles für Schwachsinn. «Ich bin sehr wohl weiblich, mag meinen Körper und habe ihn ohne Doping so hingekriegt. Ich trainiere nun seit fünfzehn Jahren und finde es faszinierend, wie stark sich mein Körper durch Training und Ernährung verändert hat.»
Meierhofer schwört dabei auf die ketogene Ernährung. Diese verhilft zu mehr Muskelmasse und gleichzeitig zu einem schnelleren Fettabbau. Dadurch kann sie mehr Kalorien zu sich nehmen, ohne an Fettgewebe zuzulegen.

«Ich befolge wochentags die Regeln der ketogenen Ernährung. Am Wochenende esse ich, wozu ich Lust habe, da ich eine gewisse Lebensqualität nicht verlieren möchte.»
Meierhofer unterscheidet sich äusserlich deutlich vom Klischeebild der Bodybuilderinnen. Im Gespräch wirkt sie schüchtern und zurückhaltend. Sie ist eine Frau der leisen Töne. Oft antwortet ihr Ehemann Peter, ebenfalls ein erfolgreicher Bodybuilder und mehrfacher Schweizer Meister, für sie. Auch ihr Körper wirkt auf den ersten Blick alles andere als angsteinflössend. Sie würde wohl auch als unauffällige Angestellte einer Versicherung eine gute Figur abgeben. Erst wenn sie ihre Jeans und ihr langärmliges Oberteil abstreift, kommt ihr durchtrainierter Körper zum Vorschein. Ein Herkules mit Busen, wie einst der «Stern» vor allem die amerikanischen Athletinnen treffend beschrieb, ist sie dennoch nicht.
Mit ihrer ruhigen Art passt Meierhofer perfekt ins Bild der neuen Bodybuilding-Generation. Der Mensch soll wieder vermehrt im Vordergrund stehen. Die gefährliche Entwicklung zu immer grösseren Muskelpaketen gehört der Vergangenheit an, denn die Frauen sollen wieder weiblicher werden. In Amerika gibt es in gewissen Kategorien sogar Punkteabzüge für zu männliches Aussehen. Und auch das «Natural Bodybuilding» ist auf dem Vormarsch. Seit 1997 gibt es in der Schweiz die «Swiss Natural Bodybuilding and Fitness Federation». Dort dürfen nur Sportler teilnehmen, die nachweislich seit mindestens fünf Jahren keine verbotenen Substanzen zu sich genommen haben.
Damit soll der Dopingmissbrauch eingedämmt werden. Beim Konkurrenten SBFV sind die Regeln deutlich lascher. So wurde Meierhofer nach ihrem Meistertitel nicht kontrolliert - dem Verband fehlt das Geld dazu.

Würdig oder unwürdig?
Während das Frauen-Bodybuilding an Bedeutung verliert, erlebten die Fitness- und Figurenklassen in den vergangenen Jahren einen Boom. Dort zählt der ganze Körper, und es wird mehr auf einen fitten Body geachtet als auf pure Muskelmassen.
Für Meierhofer kommt ein Klassenwechsel aber nicht mehr in Frage. «Mit meinen 42 Jahren bin ich zu alt. Die wollen junge, hübsche Frauen. Ich bin einmal in einer Figurenklasse an den Start gegangen. Da wurde ich von der Jury auf den letzten Platz gesetzt.» Deshalb hält Meierhofer dem Bodybuilding auch in Zukunft die Treue und will zur Freude des Verbandes weiterhin an Wettkämpfen teilnehmen. «Ich liebe meinen Sport. Die Wettkämpfe sind eine Herausforderung. Ich brauche dieses Ziel vor Augen, mich beim täglichen Training motivieren zu können.»

Am 15. Oktober ist es an der Schweizer Meisterschaft wieder soweit. Kurz vor dem Anlass wird sich die Oltnerin in eine menschliche Kampfmaschine verwandeln. In den letzten 24 Stunden vor einem Anlass trinkt sie nur noch einzelne, kleine Wasserschlucke. Dadurch entzieht sie dem Körper das Wasser, und die Muskeln und die Sehnen werden und wirken noch ausgeprägter. «Dann sieht mein Körper schon brutal aus», urteilt Meierhofer. Und natürlich darf dann auch der Selbstbräuner nicht fehlen. «Wir verdunkeln uns, damit Schattierungen entstehen und man die Tiefen unseres Körpers besser sieht.»
Das Erfolgsrezept ging an der vergangenen Schweizer Meisterschaft auf. Meierhofer bedauert zwar noch heute, dass sie alleine auf der Bühne stehen musste, hält sich aber dennoch für eine würdige Siegerin. «Natürlich hätte ich auf der Bühne umfallen können und hätte dennoch gewonnen. Weil ich aber alleine war, musste ich mich noch mehr beweisen. » SBFVSekretär Robert Eichelberger hat das Trauma auch elf Monate danach noch nicht überwunden und möchte kein Urteil über Meierhofers Leistung abgeben: «Es ist müssig, darüber zu diskutieren. Startet bei einem Schwimmwettbewerb nur eine Sportlerin, würde man danach auch nicht diskutieren, ob sie verdientgewonnen hat. Sie können sich deshalb die Antwort auf Ihre Frage selber geben.»
Eine Frage bleibt aber doch noch zu klären: Was passierte eigentlich mit den nicht verwendeten Pokalen für die Zweit- und Drittplatzierte? «Die haben wir nicht weggeworfen», antwortet Eichelberger. «Wir haben sie für andere Wettkämpfe umgerüstet.» Es gibt eben für fast alle Probleme eine Lösung.